Ostsee

Ja, es war ein Jahrhunderthochwasser – aber im Rahmen des oberen Durchschnitts

Gestern kam es zu einem Jahrhunderthochwasser an der Ostsee. Von den Daten her ist dieser Begriff vollkommen korrekt und der Sturm war heftig. Doch trotz Rekordwerte reiht sich die Sturmflut in die zwei Mal jährlich wiederkehrenden Hochwasser ein.

In Flensburg wurden zeitweise Werte von 2,27 Meter über NN (Normal Null) erreicht. Das ist wirklich sehr hoch. Übersteigt die normalen Werte aber nur um wenige Zentimeter. Zumal der Wert von 2,27 Meter auf Flensburg beschränkt blieb und schon wenige Stunden später ein Wert von unterdurchschnittlichen 1,40 Meter hergestellt war.

Klimaschwurbler auf Twitter sehen das natürlich anders. Der häufig gelesene Satz „Das war schon immer so.“, welcher in Verschwörungskreisen ironisch gemeint sein soll, machte am Samstagmorgen wieder die Runde. Und auch dieses Mal gilt: Ja, das war schon immer so. Ich bin an der Ostsee aufgewachsen, meine Familie wohnt seit hunderten Jahren an der Ostsee, wir wissen das.

Anders sieht das aber wohl der Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler vom SSW. Er bekam wohl zum ersten Mal im Leben einen norddeutschen Herbststurm mit und sprach von „Klimaanpassungskonzepten“. Auf diese Äußerungen haben wir für unseren Faktencheck nur gewartet. Denn richtig ist, dass es mit 2,27 Meter über NN einen Rekordhochstand für mehr als 100 Jahre gibt, allerdings auch nicht mehr. Und alles lag im Rahmen des üblichen jährlich wiederkehrenden Geschehens.

Seit 1872 werden regelmäßig Pegelstände genommen. 1872 war auch gleich das höchste je gemessene Hochwasser – was nicht bedeutet, dass es vorher nicht noch viel Höhere gab. Vor 151 wurde in Holnis bei Glücksburg 3,12 Meter über NN gemessen. 1904 wurden 1,88 Meter über NN gemessen, 1913, 1,89 Meter über NN, 1954 1,73 Meter über NN, 1995 1,68 Meter über NN und 2002 1,65 Meter über NN. Heftige Sturmhochwasser gab es weiterhin 1904, 1913/14, 1957, 1968 und 1971 mit über 1,14 Meter über NN, auch 1993 gab es so ein Sturmhochwasser.

Weitere historische Fluten vor Aufzeichnung sind 1044 auf Rügen, 1304, 1320, 1449, 1625, 1694, 1784 und 1825. Vineta, eine historische und berühmte Stadt an der Ostsee, ging im 12. Jahrhundert in einer Sturmflut unter. 1374 ist in Wismar eine Sturmflut erwähnt.

Bei der Jahrtausendflut am 1. November 1872 trieben westliche bis südwestliche Winde mit Sturmstärke Nordseewasser in die Ostsee. Das Wasser wurde in Richtung Baltikum gedrückt. An der deutschen Ostseeküste waren die Pegelstände bis zu 1 Meter unter NN. 10 Tage später dann plötzlich Windstille. Einen Tag später, am 11. November 1872 schlug der Wind auf Nordost um und noch einen Tag später kamen dann drei Meter große Flutwellen.

Das gestrige Hochwasser hatte einen anderen, aber auch wetterbedingten Grund, der nicht unüblich ist. Mit dem angeblich menschengemachten Klimawandelt hat das nichts zu tun, genau so wenig mit dem natürlichen Klimawandel. Dies bestätigte sogar der NDR überraschend in seiner Berichterstattung. Es gab ein Hoch über Skandinavien und starken Ostwind. Über Großbritannien lag ein Tiefdruckgebiet und der Sturm entstand durch die Folge des Druckausgleichs. Also ähnlich wie 1872, nur ohne vorherige Westwinde.

Ich verbrachte selbst einen großen Teil meines Lebens in Lübeck. Wohnte vor der Innenstadt, aber auch selbst in dieser. Das in den Medien gezeigten Hochwasser ist für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich. Zu den Bildern an der Ostseeküste ist unverständlich, warum Boote und Strandkörbe nicht eingeholt wurden. Das ist früher immer passiert. Ob die Menschen dümmer werden oder ob das jetzt alles durch zugezogene Menschen kommt, lässt sich nicht sagen. Als echter Norddeutscher kann ich da nur mit dem Kopf schütteln.

Wie auch ein Meteorologe dem NDR bestätigte, sind diese Wetter nicht ungewöhnlich und kommen in der Regel ein bis zwei Mal im Jahr vor. Es waren lediglich die Pegel ein wenig höher.