Silvester

Nein, es gab keine Ausschreitungen in Berlin-Neukölln

Man befürchtete nach dem letzten Jahr auch für diesen Jahreswechsel schwere Ausschreitungen in Berlin-Neukölln. Es kam zu einzelnen Straftaten im Zusammenhang mit Pyrotechnik, allerdings berlinweit und in einem „gewöhnlichen Ausmaß“ für eine Millionenmetropole. Einige Medien, die laut Social-Media-Beiträgen im Vorfeld auf Ausschreitungen gehofft zu haben scheinen, konnten mit der Enttäuschung offenbar nicht umgehen und „berichten“ von „Pyro-Randale“ mit populistischen Schlagzeilen. Doch dem war gar nicht so!

So berichtet die Nius-Redaktion von Julian Reichelt, dass es „auch in diesem Jahr […] am Silvesterabend zu schweren Ausschreitungen gekommen“ sein soll. Seriösere Medien bekamen davon genau so wenig mit, wie ich selbst, der bei Freunden in Neukölln Silvester gefeiert hat. Wir hatten auch steten Kontakt zu anderen Gruppen. Von dem, was das Fakenews-Magazin Nius dort berichtet, weiß aber keiner etwas.

So wird in populistischer Manier geschrieben, dass 15 Einsatzkräfte „allein in Berlin“ verletzt worden wären. Diese Formulierung impliziert: Es waren noch mehr. Natürlich, es wäre ja ein Wunder, wenn nur in Berlin Einsatzkräfte verletzt worden wären. Die Formulierung sollte sagen: Es war noch viel schlimmer, als wir hier kurz anschneiden.

Weiter schreibt das Magazin dann unter einem Bild: „Nicht nur in Berlin, auch in Duisburg und anderen Städten kam es zu gefährlichen Szenen mit Feuerwerk“. Auf dem Bild sind Menschen zu sehen, die in sicherem Abstand eine Silvesterrakete mitten auf der Straße direkt nach oben schießen. Etwas, was man an Silvester milliardenfach tut. Danach folgen einige Beispiele von Straftaten in Zusammenhang mit Pyrotechnik, welche Berlinweit stattfanden und wirklich Einzelfälle im unteren Bereich waren. Natürlich sind dabei auch größere Menschengruppen aneinandergeraten und natürlich handelte es sich dabei auch oft um Migranten. Das leugnet keiner. Die Polizei hatte das jedoch gut unter Kontrolle. Und fraglich sollte auch immer sein, ob Situationen so schlimm waren, wie die Polizei es schildert. Ich erinnere mich an Situationen aus den Coronademonstrationen, wo ein Polizist mit dem Fuß gegen eine Flasche stieß, die zu Bruch ging. Er rief dann: „Achtung, Flaschenwürfe!“ Sofort rückte eine Einheit aus, prügelte in die Menge, löste sie auf und nahm zwei friedliche Demonstranten mit. Diese „Flaschenwürfe“ standen später am Tag in der Zeitung.

Diese Fälle sind nicht zu verharmlosen, den Eindruck, den das Team Reichelt hier erwecken möchte, wird aber nicht erfüllt, nämlich, dass es schwerste Randale wie im letzten Jahr gab. Laut Social-Media-Beiträgen schien auch Julian Reichelt selbst gestern Abend darauf zu warten und witterte wohl Klickzahlen. So ging es vielen vor allem auf dem Onlinenachrichtendienst X, die sich nun durch den Nius-Artikel bestätigt fühlen. Alle anderen lügen. Oder wie uns einer auf eine erste Stellungnahme am Neujahrsmorgen zu den Falschbehauptungen des Reicheltmagazins fragte: „Dumm?“ Nein, vor Ort gewesen. Mit der Realität können sich viele Menschen, egal aus welchem Milieu sie stammen, aber nicht abfinden. Wenn man sich die geringe Reichweite von Nius aber anschaut, ist es hier zum Glück nur eine sehr kleine Minderheit.

Anders sah es in anderen Städten aus. In Leipzig-Connewitz wurde eine Polizeiwache von Linksextremisten beschossen. Menschen wurden glücklicherweise nicht verletzt. Auch in Frankfurt wurden Einsatzkräfte mit Pyrotechnik beschossen. Bzgl. Bränden weiß die Feuerwehr Pinneberg zu berichten, dass es „hart wie lange nicht mehr“ war. In Köln flogen auf den Rheinwiesen Pyrotechnik und Böller in die Menge, die Polizei griff entschieden durch. Insgesamt gab es in Nordrheinwestfalen eine Zunahme von Straftaten an Silvester, in Berlin eine deutliche Abnahme.

Einige behaupten in sozialen Medien, vor 2015 hätte es das nicht gegeben. Dem muss leider widersprochen werden. Dies kann ich selbst aus Düsseldorf und Lübeck vor dieser Zeit bestätigen. Auch zeigten vor 20 Jahren schon Fernsehreportagen von RTL, dass man sich dort im migrantischen Milieu zu Silvester in Neukölln mit Pyrotechnik beschossen hat. Solche Szenen gibt es und diese sind klar zu verurteilen. Auch ist es ein Fakt, dass der Anteil von Migranten bei solchen Vorkommnissen überproportional hoch ist. Eine Lüge ist es jedoch, hier von Ausschreitungen zu sprechen. Wir sprechen von einer Stadt mit fast 4 Millionen Einwohnern, plus zahlreichen Gästen von außerhalb. Es gab proportional in Berlin nicht mehr Ausschreitungen als in anderen Städten. Und zum „Normal“ gehört leider auch, dass es sehr viele Idioten gibt. Deswegen stimmt der Eindruck, den das Team Reichelt mit seinem Artikel erwecken möchte trotzdem nicht.

Rückendeckung bekommt das verschwörungsideologische Fakenewsmagazin lediglich vom jungen Ableger Apollo-News, welche ähnliche Eindrücke bei ihren Lesern erwecken wollen. Sie schreiben von einem „neuen Normal“. Dem Durchschnittsalter der Redaktion her kann entgegnet werden, dass dieses „neue Normal“ schon länger da ist als sie selbst.

Landesbranddirektor Dr. Homrighausen von der Feuerwehr Berlin als Fazit: „An diesem ersten Januartag können wir sagen, dass der Jahreswechsel aus Sicht der Berliner Feuerwehr im Vergleich zum Vorjahr glimpflich abgelaufen ist. Dennoch verzeichneten wir insbesondere im Rettungsdienst und bei der Brandbekämpfung deutliche Einsatzspitzen. Die Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte ist erfreulicher Weise zurückgegangen. Jeder Angriff auf Einsatzkräfte ist dennoch einer zu viel und absolut inakzeptabel. Wir werden das nicht tolerieren und in jedem einzelnen Fall Strafantrag stellen. Ich danke allen Einsatzkräften für ihr unermüdliches Engagement.“